zu unseren füßen, das gold, aus dem boden verschwunden
von Svealena Kutschke
Ein Mietshaus in Berlin Pankow. Wir treffen: Ein junges lesbisches Paar, einen alkoholkranken Gerichtsvollzieher, eine depressive Mittvierzigerin und ihren Ex-Mann. Wir treffen nicht: Nabil, den jungen syrischen Geflüchteten im Erdgeschoss. Alle sprechen über ihn, keiner spricht mit ihm. Nabil ist die Fehlstelle des Stücks, das Fremde und Andere im Leben der fünf Protagonisten, die ihn beschreiben und von ihren Begegnungen mit ihm erzählen.
Während die Figuren eloquent über Beziehungen, Beruf und gesellschaftspolitische Probleme unserer Zeit reflektieren, wird klar, dass der geflüchtete Mensch mitten unter ihnen alles für sie ist: Reizpunkt, Korrektiv, Gradmesser, Projektionsfläche für ihre Konflikte, stete Erinnerung an die eigene Schwäche und Handlungsunfähigkeit.
Im alltäglichen Zusammenleben der sechs so unterschiedlichen Charaktere offenbart sich die ganze Fragilität unserer heutigen Gesellschaft, die so stolz ist auf ihre Diversität, gegen das Fremde in ihrer Mitte aber immer wieder anstreitet, es fürchtet und nur allzu oft zum Sündenbock macht für das eigene Scheitern.
Kutschkes dramaturgischer Kniff der somatischen Leerstelle erweist sich als elegantes und hocheffektives Mittel, uns die geistige Leerstelle unseres gegenwärtigen, gemeinsamen Existierens vor Augen zu führen.
(Download des Stücktexts)
Regie Jochen Schölch Bühne Thomas Flach Kostüme Sanna Dembowski Licht Hans-Peter Boden Dramaturgie Katharina Schöfl Regieassistenz Domagoj Maslov Bühnenbau Alexander Ketterer
Mit Matthias Grundig, Thorsten Krohn, Sophie Rogall, Mara Widmann, Lucca Züchner
Vorstellungsdauer ca. 1 Std. 15 Min. (keine Pause)
"Kutschke erschafft ein auf fünf Menschen verteiltes Bild unserer Gesellschaft mit all ihren Widersprüchen, Schölch und seine fünf Menschen machen aus dem klugen, gut geformten Text ein prägnantes Menschenerlebnis. Alle sind sie Sternschnuppen, die haltlos verglühen würden, lernten sie nicht, worum sie kreisen. Dabei können sie einem sehr nahe gehen. Oder auch witzig sein." (Süddeutsche Zeitung)
"Alles, was für das kleine, hochgepriesene Münchner Metropoltheater so typisch ist, gilt erst recht für diese herausragende Inszenierung von Jochen Schölch: fein geführt, hochkonzentriert gespielt, penibel ausdifferenziert. Einfach perfekt, und, auch das ist sein Inszenierungskennzeichen, bei aller Tristesse poetisch. (...) Kein voyeuristisches Auskommen, sondern vor dem Applaus viele Schrecksekunden lang betroffenes Schweigen. Ein starkes Stück!" (kultur heute 10.03.2020, Deutschlandfunk Kultur)
„Sie alle reden übereinander, aber nie miteinander. Dialoge oder Spielhandlung gibt es keine, und doch gelingt unter Jochen Schölchs sensibler unaufdringlicher Regie ein fesselnder Theaterabend. Man schaut gebannt zu, wie das Ensemble mit nichts als Worten und kleinen Gesten aus Kutschkes psychologisch prägnant gezeichneten Typen lebendige Menschen voller Ambivalenzen erschafft. (…) Dank Schölchs klug konzentrierter, in ihrem Minimalismus ungemein präziser Regie und der großartigen Schauspieler (…) entstehen daraus im Metropoltheater 75 Minuten eindringliches Theater.“ (Münchner Feuilleton)
Produktion und Veranstalter: GbR Schöfl u.a. "zu unseren füßen, das gold, aus dem boden verschwunden"
Steuernummer Finanzamt München 143/565/ 60702
Aufführungsrechte: S. Fischer Verlag GmbH, THEATER & MEDIEN
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